Musik von Igor Strawinsky, Thomas König, Marius Moritz u.a.
Programm
Igor Strawinsky Pulcinella Suite
Thomas König Tempodrom (Uraufführung)
Marius Moritz Like Ebony (Uraufführung)
Thomas Buchholz Händels Albtraum
Darius Milhaud Le Karneval de Londres
Das, was hier im Land Sachsen-Anhalt kulturell gewachsen ist, hat eine aktuelle Gegenwart. Spätestens seit infolge des BAUHAUS-Jubiläums #modern denken durch die Landesregierung initiiert wurde, ist das in allen Künsten stärker in ein öffentliches Bewusstsein gerückt. Dabei spielt die Balance zwischen den Urvätern eines grundlegenden Paradigmenwechsels und den heute künstlerisch Produktiven eine besondere Rolle. Das ist bisher hinlänglich proklamiert worden, allerdings mit einem starken Focus auf Architektur und Baukunst und auf Skulptur und Malerei. Die aktuelle Musik aus Sachsen-Anhalt soll nun im Jahr 2022 eine besondere Beachtung erfahren. Der Landesverband des Deutschen Tonkünstlerverbandes entwickelt die Konzeption seines diesjährigen Tonkünstlerfestes mit der Grundüberlegung, in wie fern die in Europa stattgehabten Veränderungen der Künste um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert in der heutigen Zeit eine Fortführung oder ein Pedant erfahren haben.
Aufhänger dieser Entwicklung soll das Musikdenken von Igor Fjodorowitsch Strawinsky (1882-1971) sein, weil sich 2022 sein Geburtstag zum einhundertvierzigsten Mal jährt. Vermutlich ist jedoch das Datum weniger ein Grund einer Entscheidung für den berühmten Russen mit französischer und amerikanischer Staatsbürgerschaft. Ein Essay des Franzosen Pierre Boulez, bereits 1951 verfasst, liefert das Motto. Im Streit um die Merkmale der Neuen Musik innerhalb der Auseinandersetzung zwischen den Traditionalisten und den Avantgardisten spielen Strawinskys Werke eine besondere Rolle, weil sie sich einer eindeutigen Zuordnung verschließen. Die Kühnheit mancher Kritiker sah Strawinsky ausschließlich auf der Seite der traditionellen Komponisten, was eher einem Verdammungsurteil gleichkam. Da setzte sich der junge Avantgardist Boulez hin und lieferte anstelle der Verbalinjurien seiner vorwiegend männlichen Kollegen eine präzise, an der Werkstruktur des Ballettes Le sacre du printemps von 1913 orientierte Analyse der kompositorischen Verfahrensweisen Strawinskys. Im Gegenzug zu den Meinungen und Vermutungen lieferte Boulez durch wissenschaftliche Arbeit erlangte Erkenntnisse. Die Conclusio seiner Analyse drückt die Wertschätzung in der Bedeutung für gegenwärtiges und zukünftiges Musikdenken mit den Worten: „Strawinsky bleibt!“ aus.
Lassen Sie uns in diesem Festival dem nachgehen, auf welche spezifische Weise die Urväter der Moderne, am Beispiel Strawinskys, im heutigen Komponieren und Musizieren verankert sind und ob damit das Urteil des vor wenigen Jahren verstorbenen Komponisten und Dirigenten Pierre Boulez noch heute (in Mitteldeutschland) gilt. Zu hinterfragen sind da nicht nur die Arbeiten unserer heute hier lebenden Komponistinnen und Komponisten, nein es geht auch um das lebendige Musizieren. Welche Rolle spielt das Werk von Igor Strawinsky heute bei der Ausbildung der musikalischen Jugend? Da gibt es viel Vorzeigbares, man denke nur an die Arbeit der Komponistenklassen, den Jugendkompositionswettbewerb, das Erarbeiten neuer Werke für „Jugend musiziert“ oder andere progressiv aufgestellte Wettbewerbe. Das Tonkünstlerfest bietet hier ein Podium und ist zugleich auch eine öffentliche Darstellung der musikpädagogischen und künstlerischen Leistungsfähigkeit Sachsen-Anhalts. (Thomas Buchholz)